Dienstag, 1. Oktober 2019

Slowenien - Alpen und Adria


Die erste Frage, wenn ich einen Blogpost über die Reise nach Slowenien verfassen will, ist natürlich: Wo packe ich es denn hin? Südosteuropa-Reise oder nicht? Wo ist denn eigentlich dieses Slowenien? Einerseits irgendwie neben Italien und unter Österreich, spricht alles für Mitte-Süd oder so. Andererseits Ex-Jugoslawien und da schlägt ja gleich mein Herz für "den Osten" höher. Nur um dann doch festzustellen, dass das Land so gar nichts von seinem ehemaligen Bundesgenossen Serbien hat - das Land, dass ich vor allem mit Jugoslawien verbinde. Alles ist schön ordentlich und sauber und teurer als für einen Urlaub in Ex-Jugoslawien erwartet. Die Straßen sind überall in einem vortrefflichen Zustand, vor jedem noch so kleinen Lokal gibt es einen Stellplatz für Behinderte. Immerhin, es gibt Plazma-Kekse und Cedevita-Brause und in Velenje steht ein Tito-Denkmal am Hauptplatz zwischen Plattenbauten und vor dem sozialistischen Kulturhaus. Und doch fühlt es sich anders an zwischen den Alpen un der Adria. Es fehlt mir vielleicht ein bisschen die Anarchie und Absurdität, die sich ansonsten bei Reisen in den wilden Osten gern mal einstellt.

Da, wo der Sonnenstrahl hinfällt, mussten wir hoch
Aber erstmal auf Anfang. Wir fuhren über Tschechien und Österreich nach Maribor und durchquerten das Land im Norden. Wir wollten irgendwo am Bohinj-See übernachten, um dann auf den Triglav hochzuklettern. Starten wollten wir in Ukanc, westlich des Sees, da waren aber preislich akzeptable Lösungen bis auf Camping schwer zu finden und losstiefeln, nachdem wir erstmal Zelt abbauen mussten, klang auch wenig verlockend für eine Mehrtageswanderung. Die Bedienung bei einem Kiosk half uns dann mit einem Zimmer zum Schnäppchenpreis von 60 Euro weiter - das war so ungefähr der Minimalpreis, den man bei spontaner Einkehr irgendwo erwarten konnte, wie wir lernen sollten. Das Billigste, was wir an Übernachtungen hatten, war ein Zeltplatz für 9 Euro pro Person und ein Bungalow, der wohl seit Titos Zeiten keine Veränderung gesehen hatte, für 45 Euro.

Die Wanderung zum Triglav war heausfordernd. Wir hatten einen schier endlosen Anstieg vor uns, um über eine Felswand zu kommen, die mir beim Anblick unbezwingbar vorkam. Ich sagte immer wieder, dass ich es für unmöglich hielte, dass ich da hochkommen würde, aber irgendwie ging es scheinbar doch und wir waren tatsächlich drüber und kamen am Črno jezero (Schwarzer See) an. Kleine Pause und weiter ging es zur ersten Hütte - wo ich dann durch Mithören anderer Gespräche mitbekam, dass es nirgends Übernachtungsplätze in den Berghütten gab. Nach kurzer Nachforschung - unsere Mobiltelefone hatten keinen Empfang, daher mussten wir das Hüttenpersonal bitten, anzurufen - stellte sich heraus, dass einzig in einer Hütte, die eigentlich erst auf unserem Rückweg lag, Übernachtungsplätze in Betten frei waren. In allen anderen Hütten hätten wir im Gastraum Notquartier beziehen können. Damit hätten wir warten müssen, bis die letzten im Bett sind und mit den ersten frühmorgens um fünf aufstehen dürfen, außerdem hatten wir bis auf dünne Hüttenschlafsäcke nichts dabei, was uns die Nachtruhe angenehmer gemacht hätte. Darauf, auf Frühstückstischen Quartier zu beziehen, verzichteten wir also und wanderten weiter zur im-Bett-schlafen-Hütte. Da wir nicht ausreichend auf die Schilder achteten, nahmen wir gleich noch den Weg über den steilen Kamm (wo mich beim Aufstieg kurzzeitig Nerven und Kräfte verließen) und hatten so am Ende des Tages bestimmt 1500 Höhenmeter an Aufstieg hinter uns. 

Immerhin brachte ich den Herbergswirt kurz zum Lachen, als wir endlich in der Hütte angekommen waren und uns zum Abendessen niederließen. Mein Begleiter bestellte Bier, was wollte ich denn trinken? Ich überlegte nur kurz: "Schnaps!" Der war wirklich lecker, selbstgemacht und mit Gebirgskräutern verfeinert. Am Morgen erlebten wir noch den Almabtrieb mit, als während des Frühstücks überall Kuhglocken um uns herum ertönten. Der Abstieg war richtig anstrengend, zumal wir Klettersteigsets und Helme umsonst mit auf den Berg geschleppt hatten, ebenso wie andere Dinge für eine Mehrtagestour. Am Bohinj-See legten wir eine Badepause ein, dann holten wir das Auto und fuhren Richtung Meer.


Nach der Enttäuschung, den Triglav nicht bezwingen zu können, war der Ausflug ans Meer die beste Entscheidung. Ich habe sie zu großen Teilen meinem Reisegenossen zu verdanken habe, der sich stark dafür einsetzte. Wir legten noch eine Übernachtungspause in besagtem Old-School-Bungalow (siehe weiter oben) ein, der auf einem Campingplatz stand, der offensichtlich über einem Höhlensystem stand. Da die einzige Führung durch die Höhle aber um neun Uhr stattfand, wohlgemerkt an einem Sonntag, kam die Erkundung nicht in Frage. Wir fuhren schließlich gegen zehn weiter und hatten immerhin am Vortag die Burg des Raubritters Erasmus noch gesehen. Hier aßen wir auf einer Panorama-Terasse zu Abend und blickten Richtung in eine Höhle gezimmerte Burg. Würden vielleicht gleich die Scheinwerfer angehen? Es war schließlich schon ziemlich dunkel. Seit drei Jahren funktioniere das nicht, sagte die Bedienung, also nichts da. Vielleicht war dieser Stopp in der Mitte Sloweniens das ostigste, was uns in diesem Urlaub so passierte. Bungalow mit Originaleinrichtung von vor 40, 50 Jahren inklusive dunkelbrauner Fliesen im Bad, Höhlenführung zu einer absurden Zeit, Zeltplatzpförtner, der frisch aus den 80ern gefallen zu sein schien und nicht-funktionale Beleuchtungseinrichtung an einer der meist ge-instagrammten Sehenswürdigkeiten Sloweniens (#predjama). Und hier ertappe ich mich beim angewandten Balkanismus - warum muss denn immer alles absurd und disfunktional sein, um ostig zu sein?

Auf der Autobahn Richtung Süden meinte ich dann: Lass uns nach Triest fahren! Ich wollte da immer schon mal hin. Italien, dolce vita, Sommerurlaub - sofort stellte sich bei mir eine Flanier-Stimmung ein. Wir aßen eine Kleinigkeit in einer Fußgänger-Zone, dann ließen wir uns durch die Stadt treiben. Irgendwie kamen wir zur Burg und wollten eigentlich nur vorbei oder drum herum gehen, um wieder zum Auto zu kommen. Ein angesprochenes Touristenpaar, von dem wir wissen wollten, ob wir wohl auch quer durch gehen könnten, empfahl uns den Besuch und so schauten wir bei feinstem Sonnenwetter von den Burgmauern in jede Richtung und holten uns Sonnenbrand auf der Nase. Als wir dann schließlich wieder im Auto saßen, fuhren wir entlang der malerischen Küste nach Slowenien mit dem Ziel Piran. Also, malerisch wird die Küste, nachdem man aus dem Hafen- und Industriegebiet von Triest irgendwann raus ist.


In Piran hatten wir dann erstmal eine Parking-Challenge vor uns - man darf die Stadt nicht mit dem Auto befahren, allerdings mussten wir in die Stadt, um das verbilligte Ticket für die Tiefgarage zu holen, welches uns die Unterkunft stellte, damit wir das Auto außerhalb der Innenstadt abstellen konnten. Unsere Unterkunft hatte uns eine Liste mit acht Punkten geschickt, wie diese Herausforderung zu bewältigen sei. (Reinfahren, Ticket fürs Innenstadtparken ziehen, Auto abstellen, Zettel schreiben, dass Auto stehe da nur zum Check in, zur Unterkunft, Tiefgaragenticket holen, Vermieterbestätigung nicht vergessen, Auto wieder holen und in die Tiefgarage fahren, bei der Ausfahrt aus der Innenstadt Vermieterbestätigung zeigen, um zu beweisen, dass man nur für den Check in da war, Parken, Bus zurück in die Innenstadt nehmen). Wir haben es schließlich geschafft. Jetzt konnten wir durch die wunderbaren engen Gassen streunen, ein köstliches Abendessen zu uns nehmen und den phänomenalen Sonnenuntergang fotografieren, eine Fahrradtour entlang der Küste planen, auf der Terasse unserer Unterkunft sitzen, im noch angenehm warmen Meer baden, dabei auf potenzielle Seeigel achten, von der Stadtmauer aufs Gassengewirr blicken. Es fühlte sich nach Urlaub an. Nach Sommerurlaub, nach Leichtigkeit, nach Seele baumeln lassen. Und das alles da so eingequetscht zwischen Kroatien und Italien - waren wir am Vortag noch mal eben in Triest gewesen, standen wir am nächsten Tag mit den Fahrrädern an der kroatischen Grenze (mein Gefährte hatte keinen Pass dabei auf der Radtour, deswegen überquerten wir sie nicht). Die Olivenhaine, die Feigenbäume, das Meer und die sofort ansteigenden Hügel, wunderschön. 

Doch wir wollten ja noch mehr von Slowenien sehen als nur das Meer. Die Soča zum Beispiel, Sloweniens berühmter türkisfarbener Fluss. Wir fuhren also wieder nach Norden, vertrödelten den Tag etwas im schönen Vipava-Tal, wo wir keine gute Übernachtungsmöglichkeit fanden, und hatten schließlich nach einer zähen Suche Glück in einem Ort mit dem wenig verheißungsvollen Namen "Kanal". Was nach Industrie und begradigtem Flusslauf klingt, stellte sich als hübscher Ort heraus und auf einmal tauchte direkt neben einem Strand, der mitten im Ort an der Soča zum Baden und verweilen einlud, ein Campingplatz auf. Dieser war so rudimentär betrieben, dass er den Namen kaum verdiente, aber wir checkten dennoch ein. Belohnt wurden wir mit einem Abendessen an einem der schönsten Strände, an denen ich bisher in der Dämmerung gesessen habe. Wir picknickten an der Soča mit Blick auf eine schöne Steinbrücke und Reste der Stadtmauer. 

Bereits ab Nova Gorica waren wir vom Meer kommend entlang der Soča (italienisch Isonzo, vielleicht ist das der einen oder dem anderen eher ein Begriff) gefahren, nachdem wir am Morgen zusammengepackt hatten, fuhren wir weiter entlang des schillernden Flusses in seinem felsigen Bett. Wir hielten erst in dem Ort Soča wieder, wo wir einen Ferienbauernhof ansteuerten, wo es angeblich Esel geben sollte. Die drei Tiere stellten sich als gut vor den Tourist*innen versteckt heraus, die Herberge war trotzdem eher ein Lichtblick unserer ganzen Übernachtungssuche in Slowenien. Von dort aus besichtigten wir die Quelle der Soča - verrückt, wie das Wasser bereits an der Quelle diese türkise Farbe hat (die ja auch durch das Gestein drum herum beeinflusst ist, schon klar). Und endlich kam auch das Klettersteigset noch zum Einsatz - am letzten Urlaubstag wagten wir uns noch an den Klettersteig am Prisojnik. Ich bin ja was Klettersteige angeht fast Frischling und fand es schon sehr herausfordernd, die Tour zu machen. Sie ist über einige Abschnitte hinweg ungesichert, belohnt aber mit dem Klettern durch ein natürliches Felsfenster. Gerade dort hatte ich allerdings auch ein wenig Angst - immer wieder lösten sich Steine und rollten in Mini-Lawinen den Geröllhang hinunter, zwar nicht direkt in unserem Aufstiegsweg, dennoch wurde mir mulmig. Ich war deshalb für ein zügiges Weitergehen. Als wir es geschafft hatten, fanden wir wie zur Belohnung ein schönes Stück Felsen zur Pause und Brotzeit. Eine Dohle, die uns schon am Felstor singend begrüßt hatte, gesellte sich zu uns und staubte Brotkrumen ab. 

Das war es dann mit Slowenien - einen Mini-Ausflug nach Ljubljana unternahmen wir noch, dann fuhren wir wieder gen Heimat. Das herausforderndste war tatsächlich die Unterkunftssuche, die uns auch dazu bewog, in einer einmal gefundenen Unterkunft länger zu bleiben. Und es ist wahrlich kein Low-Budget-Urlaub. Wir scherzten beim Klettersteig schon, dass wir uns wunderten, dass niemand Parkgebühr oder Eintritt verlangt hatte. Irgendwie schien alles in Slowenien Geld zu kosten, noch dazu nicht wenig. Slowenien ist jedoch definitiv schön und eine Reise wert - die sonnige Zeit an der Adria, das Entdecken kleiner Dörfer und Burgen unterwegs, die Fahrt duchs slowenische Alpenvorlang, all das ist traumhaft. Und das nächste Bergabenteuer geht vielleicht doch in die Karpaten, den Kaukasus oder die Dinariden oder tja, wieder mal in die sächsisch-böhmische Schweiz
 

Montag, 9. September 2019

Rumänien erwandern - 4 Touren-Tipps

Wenn ich in Rumänien bin, bin ich auch meist wandernderweise irgendwo draußen in der Natur. Das habe ich bis vor Kurzem in Deutschland noch kaum gemacht und in Rumänien gehört es fast irgendwie zum Programm. Es gibt einfach so viel Schönheit an Landschaften und Natur, das will erkundet werden. Letztes Jahr war ich in den Muntii Rodnei und in der Nera-Klamm. Beides beeindruckende, wunderschöne Wandertouren - erstere mit einem Bergsee als Ziel, letztere an einem Fluss, der sich im Banat durch die Landschaft gegraben hat. Dieses Jahr war ich im Valea Lui Stan (Stans Tal) und auf dem Piatra Cetii, wiederum eine Mischung aus Flusswanderung mit Klamm und Bergwanderung.

Muntii Rodnei - Lacul Iezer (Rodna-Gebirge mit Iezer-See)


An das Rodna-Gebirge kommt man wohl von Norden und von Süden ran - wir entschieden uns, dass das einfachste wohl wäre, es von Norden zu versuchen und bezogen im unglaublich hässlichen Borsa ein gar nicht mal so hässliches Quartier. Das lag bereits am Weg in Richtung Iezer-See und Pietrosul-Berg, wir mussten also nur noch losgehen und uns immer bergauf halten, den blauen Markierungen folgend. Der Weg war aber gut ausgebaut und auch gar nicht zu verfehlen. Der stetige Anstieg machte mir aber derart zu schaffen, dass ich es vom Iezer-See dann nicht mehr bis zum Gipfel schaffte - die Tour endete am schönen Gletscher-See, der angeblich die Umrisse Rumäniens hat. Am See sind viele Leute unterwegs, wenn auch nicht ganz so viele wie beispielsweise am Bâlea-See, und es gibt wilde Blaubeeren, wenn man zur richtigen Jahreszeit kommt. Natürlich fehlt auch ein fantastischer Ausblick ins Tal nicht. Ich ärgerte mich, dass ich mich wirklich nicht in der Lage fühlte, den Aufstieg zum Gipfel noch anzugehen, war aber getröstet von dem schönen Bergsee und dem herrlichen Blick Richtung Tal.

Cheile Nerei (Nera-Klamm)

Es gibt im Nationalpark Cheile Nerei einige Wanderwege. Die meisten Menschen suchen den - zumindest in Rumänien - berühmten Wasserfall Beusnita und den See "Auge des Bei" auf. Außerdem ein Anziehungspunkt sind die "Tunnel" (tunele), vor langer Zeit, vermutlich durch die Römer geschaffene Durchgänge / Tunnel im Karstgestein.
Die Gegend ist aber überhaupt schön - es gibt dichte Buchenwälder, der Spaziergang entlang der Nera ist ein wenig anspruchsvoll, aber auch für ungeübte Wanderer*innen gut zu schaffen und es ist möglich, sich durch ein Bad im Fluss zu erfrischen - wenn man nicht ohnehin hindurchwaten muss, weil der Wanderweg auf der anderen Seite weitergeht.
Ein guter Ausgangspunkt für die Erkundung des Nationalparks ist Sasca Montana. Von dort aus gelangt man schnell zu den Tunneln. Danach gabelt sich der Weg (und es gibt noch einmal einen großen Parkplatz, für alle, die sich die Strecke zu Fuß sparen möchten) - zum einen zum "in Rumänien einmaligen" Wasserfall Beusnita (laut Wikipedia) und zum anderen durch die Klamm. Da viele zum Wasserfall und einer Forellenzucht mit Ausflugslokal, die auf dem Weg dahin liegt, wollen, ist der Weg durch die Klamm in die andere Richtung sehr viel ruhiger und angenehmer und trotz fehlendem Wasserfall mangelt es nicht an Schönheit der Natur. Wir waren am Ende 26km unterwegs und haben dafür mit Pausen fast 10 Stunden gebraucht - inklusive ausgedehntem Bad in der Nera und Rückweg durchs Dornengestrüpp ("Hier müsste eigentlich der Weg sein...").





Valea Lui Stan

Diese Klettersteigtour ist bei den Rumän*innen recht bekannt - der Weg durch ein Flusstal mit vielen Wasserfällen führt über viele im Fels verankerte Eisenstufen und ist gut mit Stahlseilen zum Festhalten ausgestattet. Auch Familien sind hier unterwegs und mit Sicherung oder Klettersteigset sieht man niemanden. Ich würde den Weg als nicht sehr schwer einstufen, aber Ausdauer und gutes Schuhwerk sollte man dennoch mitbringen. Die Dauer ist unterschiedlich mit 3,5 bis 5 Stunden angegeben - wir haben mit vielen Pausen und einer Rast am Vidraru-Stausee zum Baden viel länger gebraucht. Die spektakulären Wasserfälle waren wegen Niedrigwasser nicht allzu spektakulär, die Tour war dennoch sehr schön und abwechslungsreich durch den Flusslauf mit kleinen Wasserfällen und Becken, in denen sich das Wasser sammelte, bevor es an anderen Stellen wieder munter plätscherte.
Der Zugang erfolgt von Transfogarascher Passstraße am Staudamm des Vidraru-Sees (Barajul Vidraru). Die Straße ist als "Transfagarasan" bekannt, allerdings ist der nördliche Teil mit seinen Serpentinen berühmter als der südliche, wo der Staudamm liegt. Man kann im Bereich des Stausees oder zwischen Stausee und Festung Poenari parken. Aus Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer sollte man allerdings darauf achten, die Fahrbahn dadurch nicht zu blockieren, da der Stausee bei hohem Besucheraufkommen ohnehin zum Nadelöhr wird.

Eine ausführliche Beschreibung auf Englisch (oder wahlweise Rumänisch) der Tour mit vielen Fotos gibt es hier: https://amazingromania.net/the-stan-valley-canyon/ 
Ein GPS-Track findet sich hier: https://www.outdooractive.com/en/route/hiking-trail/muntenia/valea-lui-stan-poiana-calugarita-baraj-vidraru/116931409/
(die Webseiten und die Informationen darauf sind nicht von mir, ich übernehme keinerlei Haftung) 

Piatra Cetii (Cetea-Stein)

Im Apuseni-Gebirge gibt es zahlreiche schöne Orte und viele Gegenden, wo es sich gut wandern lässt. Es gibt unzählige Höhlen und mittelgebirgige Höhenzüge, es gibt Mischwälder, kleine Dörfer und Höfe fernab der nächsten Straße. Wir wollten uns irgendwo zwischen Alba Iulia und Cluj von Osten annähern. Vielleicht glücklicherweise klappte es nicht mit der Übernachtungssuche in Râmet, so dass wir auf Poiana Galdei auswichen. Dort fuhr von Alba Iulia sogar ein Bus hin, der uns in das Tal brachte, wo es die ein oder andere Klamm gab, Mischwald und eben den Cetea-Stein.
Irgendwie recht planlos machten wir uns erst gegen Mittag zu unserer Wanderung auf - erst ein ganzes Stück an der Straße entlang, dann einem Bachlauf den Berg hinauf folgend. Der Bachlauf verschwand kurz bevor wir eine angepeilte Lichtung erreichten und wir schlugen uns durchs Gestrüpp, bevor wir an einer noch nicht fertig gebauten Kirche herauskamen. Hier sollte es auch Häuser geben und schnell fanden wir den einzeln daliegenden Hof und sprachen die ältere Frau, die dort gerade ihrem Alltag nachging, nach Wasser an. Sie nahm sich daraufhin gleich noch Zeit, mit uns in die Karte zu schauen, wie es weitergehen könnte. Wir wollten gern weiter hoch auf den Cetea-Stein, allerdings völlig die Uhr aus dem Blick lassend. Der Weg war zunächst gut markiert, wir verloren die Markierung aber zwischendurch immer mal wieder. Es ging buchstäblich über Stock und Stein und wir schlugen uns weiter durch die Wildnis und zerschrammten uns die Beine, der Aufstieg war beschwerlich mit vielen Gesteinsbrocken und auch beim Abstieg wurde es nicht besser. Auf den einfacheren Strecken über Wiesen kreuzte mehrmals ein Weidezaun den Wanderweg und ich hoffte inständig, dass wir keinem ausgewachsenem Rindvieh begegnen mögen oder einer Rotte Hütehunde. Als wir am Gipfel angelangt waren, war es schon recht spät und wir waren sonnenverbrannt, so dass wir den Ausblick nicht lange genießen konnten, sondern einfach hofften, noch bei Tageslicht wieder aus dem Wald heraus zu finden. Ein einziges Mal verloren wir den Wanderweg derart aus den Augen, dass nur der Fakt, dass es spärlichen Handyempfang gab und meine Idee, eine OpenStreetMaps-Karte im Browser meines Smartphones zu laden, uns wieder auf Spur brachten. Die meiste Zeit gab es aber überhaupt keinen Mobilfunkempfang. Immerhin gelangten wir auf eine Art Autobahn unter den Wanderwegen auf dem Abstieg zurück zur Straße - gefühlt aller zehn Meter war die Wanderwegmarkierung auf einen Baum gepinselt, der Weg war breit und der Abstieg leicht und ohne größere Hindernisse. 




Kartenmaterial:

Gute Wanderkarten für Rumänien kann man bei der Schiller-Buchhandlung und im Erasmus-Büchercafé, beide in Sibiu / Hermannstadt kaufen. Ich habe mir oft die Karten von Dimap / Erfatur gekauft, inzwischen gibt es Karten (und eine App, die ich aber leider noch nicht verstanden habe) von Muntii Nostri. Ich habe mir auf der Rother-App den Wanderführer Rumänien-Südkarpaten gekauft, fand aber keine der Touren dieses Jahr passend für meine Interessen, das war also leider ein Fehlkauf.
Es gibt in Rumänien auch Outdoorläden, die haben auch manchmal Kartenmaterial. Vor Ort kaufen macht von daher Sinn, als dass die meisten Karten in den genannten Buchhandlungen unter 20 Lei (weniger als 5 Euro) kosten. 

Samstag, 24. August 2019

Irgendwo in Rumänien - Fahrkarten-Nicht-Kauf

Wir sitzen an einem Bahnhof einer mittelgroßen rumänischen Stadt, die allerdings viel touristische Bedeutung hat. Gerade sind wir mit dem Bus angekommen, nun haben wir viel Zeit zu überbrücken, bis unser Zug fährt. Daher die Idee, doch einfach schon mal die Fahrkarte für die nächste Etappe  Cluj - Budapest zu kaufen. Eine internationale Fahrkarte zwar, aber an einem von zwei geöffneten Schaltern in der gähnend leeren Bahnhofshalle steht "International Tickets". Also warum nicht gleich holen und später keinen Stress haben damit?

Versuchsperson 1 macht sich auf, Person 2 bleibt mit den Rucksäcken auf der Bank sitzen. Keine zwei Minuten später ist sie wieder da. Auf die Frage "Do you speak English?" hatte die Fahrkartenverkäuferin nur den Kopf geschüttelt und demonstrativ in eine andere Richtung gestarrt - den potenziellen Käufer komplett ignorierend.

Versuchsperson 2 spricht Rumänisch und rechnet daher damit, bedient zu werden. Auch sie ist nach weniger als zwei Minuten wieder da. Nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte, wies die Schalterbeamtin darauf hin, dass das bei ihr mit dem Fahrkartenausstellen manchmal nicht so richtig funktioniere und sie die Fahrkarte doch lieber in Cluj kaufen solle.

Das Ganze spielte sich nicht etwa in einer langen Schlange ab, wo Sonderwünsche, die extra lange dauern, schwer zu bedienen sind, sondern außer den beiden Fahrkartenkaufwilligen war fast niemand im Bahnhof und niemand kaufte an besagtem Schalter außer ihnen Fahrkarten. Nun gut, sie taten es ja dann auch nicht.

In Cluj dann war der Schalter für internationale Fahrkarten geschlossen und die Person dahinter scheuchte sie weg - wohl gerade nicht im Dienst. Gut, dann eben einfach am Schalter rechts daneben anstellen - Falsch! Als sie da dann gewartet hatten, bis sie dran waren, wurden sie zum geschlossenen internationalen Schalter zurück geschickt, wo die zuständige Verkäuferin offensichtlich ihre Pause so langsam beendete. Nach ein paar Minuten Warten machte sie den Schalter auf und sie bekamen schließlich ihre Fahrkarten. 

Sonntag, 30. Juni 2019

Über die Felsen der Sächsischen Schweiz

Was für ein Wochenende. Von Dresden ging es nach Bad Schandau und zur Ostrauer Mühle, von dort zu Fuß zur Neumannmühle, am nächsten Tag nach Schmilka und von da zurück zum Ausgangspunkt. Unterwegs ganz viel Wald und Natur und Ausblicke und Sandsteinfels. Ich war immer wieder beeindruckt von den massiven Felswänden, die links und rechts von mir aufragten, von den riesigen Brocken, die in der Gegend herumlagen, von der Schönheit der Natur. 

Ich trug meine neuen Wanderstiefel, die für diesen Zweck vielleicht sogar ein bisschen überdimensioniert waren. An die mussten sich meine Füße erstmal ein bisschen gewöhnen, aber am dritten und letzten Tag ging es dann ganz gut. Am ersten Tag - der kürzesten Tour in eher ebenem Gelände - war es noch etwas schwierig mit den schweren Stiefeln klar zu kommen. Wir wanderten entlang der Kirnitzsch auf dem Flößersteig - der zwar immer wieder als "schwierig" auf dem Wegweiser auftauchte, aber bis auf zwei drei kleinere Klettereien nicht so anspruchsvoll war. Unterwegs gab es ein Eis am Lichtenhainer Wasserfall und gegen Abend erreichten wir ganz schön ermattet unser Nachtlager in der Neumannmühle. In der Buschmühle wollten wir dann unser Abendessen einnehmen - Forelle, die hoffentlich aus den hiesigen Gewässern stammte (ich fragte nicht nach, denn ich wollte mir im Zweifelsfall den Genuss nicht verderben). Die Köchin verlängerte ihre Schicht sogar extra wegen uns, weil wir 10min nach Küchenschluss gekommen waren. Neben uns wurde für eine Bergfilmnacht eine Leinwand aufgebaut und so blieben wir nicht lange, die Bedienung wollte Feierabend machen. Sie hatte bei einem Gewitter in der vorherigen Nacht mit Wassermassen gekämpft, die wegen zugesetzter Ablaufrinnen über den Hof schossen. Zurück in der Neumannmühle erwartete uns eine muntere Gesellschaft, die am Lagerfeuer Lieder anstimmte, doch leider auf uns irgendwie so gar nicht einladend wirkte, sich dazu zu gesellen. Nach einer Nacht im Matratzenlager, in der ich wenig schlief, ging es dann weiter. 

Tag 2 führte uns zu einer phänomenalen Aussicht auf den Winterstein, auch Hinteres Raubschloss genannt. Danach ging es weiter durch die Wälder, denen die Hitze im letzten Jahr in Kombination mit dem Borkenkäfer ganz schön zugesetzt hatte - große Flächen mit Baumbestand waren einfach braun und tot. Das war tatsächlich auch gefährlich, denn tote Bäume, erst recht mit Käferfraß, knicken natürlich leichter um, als gesunde und können im schlimmsten Fall Wanderer*innen erschlagen. Trotzdem war der Rest der Wanderung eher ungefährlich, bis wir uns entschieden, einen Weg mitten durch eine Schlucht zu nehmen. An einem Punkt musste ich eine Mini-Schlucht von vielleicht einem halben Meter überwinden, durch einen beherzten Sprung aus vielleicht 1,5m Höhe. Generell also eigentlich machbar. Nur traute ich es mir nicht zu, zumal mir die Einschätzung fehlte, ob ich sicher landen können würde und es überhaupt sicher rüber schaffte. Nach einigen tiefen Atemzügen beschloss ich deshalb, das Ganze zu umklettern - was im Gegensatz zu einem einfachen Sprung einige Zeit dauerte. Irgendwann war ich aber irgendwann auf der richtigen Seite der Felsspalte, ich lebte noch und alle Körperteile waren noch heile. Es konnte weiter gehen. 

Die zweite Rast für die Nacht legten wir in Schmilka ein. Von dort starteten wir schließlich zum abenteuerlichsten Punkt der Wandertour - die Häntzschelstiege. Dieser Klettersteig geht zum Teil einfach senkrecht nach oben, ist aber wenigstens mit Stahlbügeln und Sicherungsseilen gut ausgestattet. Ich fühlte mich auch mittlerweile trittsicherer in meinen Wanderstiefeln. Dennoch schwitzte ich stark - vor Anstrengung, Wärme und zu einem guten Teil sicher Angst. Oben angekommen durchflutete mich das Adrenalin förmlich. Und dennoch war ich auf einer ausgedehnten Pause nach dem Abenteuer erst mal ziemlich still. Ich war beeindruckt, zum einen von der Strecke und dem Fels, aber sicher auch nicht zu wenig von meiner eigenen Leistung. Ich hätte mir das nicht zugetraut, wenn ich so richtig gewusst hätte, auf was ich mich einlasse. 

Unsere letzte Handlung vor der Heimreise war schließlich noch die Füße in ein 6°C kaltes Kneipbecken zu halten, bzw. einmal durchzuwaten. Das tat sehr gut, das Kribbeln in den Beinen belebte und wir konnten uns die Zeit bis zur Abfahrt des Busses gut an der Quelle Zahnsborn vertreiben. Am Abend saßen wir dann schließlich in Dresden bei einer Pizza und streckten die müden Beine. Kaum war ich am nächsten Tag wieder bei mir zuhause, dachte ich mir: "Nochmal!" Das war ein Abenteuer ganz nach meinem Geschmack gewesen.


Sonntag, 5. Mai 2019

Ein Tag in der Alhambra


Sagenhafte maurische Burg, ein Hauch Orient im Süden Spaniens, massive Festungsmauern vor der Sierra Nevada - die Alhambra bezauberte mich bei meinem Besuch in Granada besonders. Ich bin im Januar Richtung Marokko gefahren und hatte vor, auf dem Landweg über Spanien nach Nordafrika zu kommen. Ich wählte mir eine Route über Südfrankreich, Barcelona und Andalusien, die ich mit Bussen und Zügen zurücklegte. Eine Sache, die ich in Andalusien unbedingt sehen wollte, war die Alhambra und so plante ich einen Aufenthalt in Granada ein.
Granada, eine Stadt von etwa 250.000 Einwohner, ist definitiv eine Reise wert. Es ist echt schön, durch das Viertel Albaicín zu flanieren, am Fluss Darro entlang zu spazieren, die Aussicht auf die Alhambra zu genießen oder die Streetart von El Niño anzusehen oder im modernen Zentrum umherzustreifen. Ich bin aber vor allem für die Alhambra nach Granada gekommen. Die Erwartungen an diese Burg waren entsprechend hoch - und wurden doch nicht enttäuscht. 

Ich war an einem sonnigen Wochenende Ende Januar in Granada. Die Temperaturen fielen zwar nachts stark und lagen morgens bei etwa fünf Grad, tagsüber war es aber wirklich warm mit bis zu zwanzig Grad und ich beglückwünschte mich, in Südspanien und nicht in Deutschland zu sein. Ich dachte mir dennoch, dass es ja nicht gerade die Haupttourismussaison sei und ich mein Ticket einfach an der Alhambra kaufen könne an so einem Samstag Ende Januar. Da hatte ich mich verschätzt. Als ich den Berg hochgelaufen war, mehrmals anhaltend um den schönen Blick auf die Festung zu genießen, konnte ich keine Kasse erkennen. Nur Menschen mit reservierten Tickets wurden scheinbar zu den Schaltern durchgelassen. Ich blickte nicht durch, zwischen all den multinationalen Tourist*innen, den Sicherheitsleuten und den Zugangsschranken, setzte mich schließlich auf eine Bank und buchte mir im Internet ein Ticket für den nächsten Tag. Den Rest des Tages verbrachte ich dann "downtown", also "unten" in der Stadt. 


Am nächsten Tag versuchte ich es also erneut - mit meinem E-Ticket auf dem Handy (ich habe es nicht extra ausgedruckt). Auf dem Ticket ist eine Zugangszeit vermerkt - diese gilt allerdings nicht für das ganze Gelände sondern nur für den Nasriden-Palast. Das habe ich erst später kapiert. Aber glücklicherweise ist der Nassriden-Palast recht zentral und ich machte es somit als erstes, nachdem ich mir einen Audio-Guide geliehen hatte und blieb damit in meinem vorgegebenen Zeitfenster. Im Nasriden-Palast ist es dann tatsächlich auch am Engsten, auf dem restlichen Gelände verläuft sich die hohe Besucher*innenzahl dann ein bisschen, denn die ganze Burg ist ja recht groß und es gibt viel zu sehen. Ich verbrachte etwa sechs Stunden auf dem Gelände - von einem kühlen nebligen Morgen bei fünf Grad bis zu sonnigen Nachmittagsstunden bei knapp zwanzig. Der Audioguide hat sich meiner Meinung nach gelohnt - ich entdeckte eine Menge, was mir vielleicht entgangen wäre und die Geschichten und zusätzlichen Bilder waren interessant. 

Mir blieb mehrmals vor Staunen fast der Mund offen stehen. Die Feinheit der Verzierungen, die sorgfältig gearbeiteten Details, die Masse an Gips und Holz und Farbe, die zu den herrlichsten Mustern verbunden waren beeindruckten mich. Zwischendurch erfreute ich mich an den Gartenanlagen, die, obwohl im Januar alles eher karg war, erahnen ließen, welche Farbenpracht hier im Frühjahr und Sommer herrschen musste. So flog die Zeit dahin und ich merkte gar nicht, wie ich mehrere Stunden hier vebrachte. Die Anlage ist sehr vielfältig, da auch die verschiedenen Gebäude aus unterschiedlichen Epochen stammen. Bei gutem Wetter lohnt sich der Besuch definitiv eher, da man dann die Außenanlagen und den Blick auf die Altstadt von Granada mehr genießen kann.

Von Granada aus ging es dann weiter nach Ronda und Algeciras, von dort dann nach Tarifa und mit der Fähre nach Tanger. Ich hatte das Gefühl mit der Anreise über das maurisch geprägte Andalusien einen sanften Übergang nach Marokko geschaffen zu haben. Ich bin ja ohnehin ein Fan langsamer Anreisen und fühle mich ein wenig desorientiert, wenn mich ein Flugzeug an einem ganz anderen Punkt der Welt ausspuckt. Bei dieser Reise war es aber ein besonders stimmiger Weg des Eintauchens in eine andere Kultur.

Dienstag, 9. April 2019

Marokko – eine Art Gebrauchsanleitung

Marokko ist nicht gleich Marokko – das Land ist unglaublich vielfältig. Ich bin insgesamt über drei Wochen umher gereist, davon einige Tage allein. Ich habe ein paar sehr touristische Ziele gesehen und ich habe versucht, etwas weiter abseits unterwegs zu sein. Das ist – so viel vorweg – ohne Mietwagen recht schwierig, aber möglich. Ich versuche hier, einen kleinen Überblick zu geben und Dinge zu erklären, die mich vielleicht interessiert hätten, ohne speziell auf einzelne Orte einzugehen.

Marokko ist landschaftlich vielfältig, das Klima ist an der Mittelmeerküste anders als am Atlantik und noch mal ganz anders „hinterm“ Hohen Atlas und natürlich in den Bergen selbst. Insgesamt kann man aber im Februar mit frühlingshaften Temperaturen rechnen im Vergleich zu einem meist winterlichen Deutschland. Die Nächte sind dennoch sehr kalt und nicht alle Unterkünfte haben eine gute Heizung – meist können aber zusätzliche Decken organisiert werden. Am Morgen können es schon mal nur fünf Grad sein, wenn man sich früh zu Erkundungstouren aufmacht.

Ich bin mit der Fähre von Tarifa aus übergesetzt, was ein sehr einfacher Weg ist, da man direkt in der Innenstadt von Tanger landet. Von Algeciras aus fahren kostenlose Zubringer-Busse nach Tarifa und in Tanger dann dauert der Weg in die Medina höchstens eine halbe Stunde zu Fuß. Meine Fähre fiel aufgrund stürmischer See aus und ich habe das Ticket nicht zurück erstattet bekommen, weil ich es bei einer Agentur gekauft habe. Hätte ich es direkt beim Büro der Reederei im Hafen gekauft, hätte ich eine Rückerstattung bekommen. Es fuhr dann eine Stunde später eine Fähre einer anderen Reederei und ich kam nicht viel später an als geplant. Ich habe aber auch von Menschen gehört, die einen Tag in Spanien festsaßen, weil der Fährverkehr eingestellt war. Die Überfahrt an sich dauert etwa eine Stunde. Die raue See habe ich dann durchaus gemerkt, die Fähre hat ganz schön geschaukelt. Die spanische Passkontrolle findet im Hafen statt, die marokkanische war bei mir auf der Fähre selbst. Kommt man vom Schiff, zeigt man nur noch mal kurz den Pass und kann sehr schnell durchlaufen.

Ist man dann in Tanger angekommen ist es wenig sinnvoll ein Taxi vom Fährhafen zu nehmen, denn in den engen Medinagassen können keine Autos fahren – das ist in vielen marokkanischen Städten so. Sollte man doch einmal ein Taxi nehmen, lohnt es sich, den Preis vorher auszuhandeln und das Geld passend zu haben, wenn man an sehr touristischen Orten unterwegs ist. In weniger touristischen Orten fahren die Fahrer oft selbstverständlich mit Taxameter oder es gibt feste Preise, die niedrig sind. Beispielsweise kostet eine Innenstadtfahrt in Meknes etwa 7-10 Dirham. Neben den Taxis gibt es auch Grand Taxis, die zwischen den Städten fahren. Sie warten, bis das Auto voll oder überfüllt ist, bevor sie losfahren und die Preise sind meist festgelegt. Oft sind auch Marokkaner mit diesen Sammeltaxis unterwegs. An den Sammeltaxistationen gibt es oft eine Art „Operator“, der einen zum richtigen Taxi weist. Diese „Manager“ der Taxistände sind oft schwer von Schleppern zu unterscheiden und wurden von uns deswegen oft mit Argwohn betrachtet, helfen aber tatsächlich weiter und da das Grand Taxi (meist) einen festen Preis hat, ist es auch nicht so schlimm, sich an den Operator zu wenden. Gerät man aber an Schlepper, versuchen die oft für ihre Dienst (das richtige Taxi finden zum Beispiel) etwas Geld zu bekommen. Oft haben wir das abgewimmelt, aber immer ist das auch nicht möglich und es ist immer gut, einfach ein paar Dirham in der Tasche zu haben für solche Gelegenheiten.

Neben Grand Taxis und kleinen Taxis haben wir uns auch oft mit Bussen durchs Land bewegt und gelegentlich mit dem Zug. Ich kam in den Genuss einer Fahrt im schicken TGV von Tanger nach Rabat, der sehr schnell durch die Landschaft schwebt. Gerade wurde viel an der Infrastruktur gearbeitet und die Bahnhöfe modernisiert, in vielen gab es kostenloses W-LAN. Die TGVs sind super modern, die anderen Züge zum Teil schon deutlich in die Jahre gekommen. Ich habe mir meist erste Klasse Fahrten gegönnt, weil der Preis so und so sehr erschwinglich war – zwischen 15 und 20 Euro für Tanger-Rabat und Rabat-Marrakesch. Die Züge waren bei mir immer pünktlich. Die Tickets kauft man online (habe ich nicht probiert) oder im Bahnhof, wobei es zwar Automaten zum Fahrkartenkauf gibt, diese aber auch von einer*einem Bahnangestellten, die*der daneben steht, bedient werden, was das ganze ein wenig absurd macht. Es geht dennoch ein wenig schneller als am Schalter, würde ich sagen.

Ein Bahnnetz ist vor allem im Süden und Osten des Landes schlicht nicht vorhanden, deswegen muss man auf Busse ausweichen, wenn man ohne Mietwagen irgendwo hin möchte, oder eben Grand Taxis. Es gibt meist mehrere Busbahnhöfe in einer Stadt – den von den Unternehmen CTM und Supratours mit ihrer eigenen Flotte, eigenem Schalter und eigener Gepäckabwicklung, sowie einen für alle anderen Unternehmen, meist lokal operierende. Wir haben bei mehreren Gelegenheiten Busse genutzt, dabei sind wir mit Supratours und CTM gefahren – den beiden größten Busgesellschaften. Die Busse sind relativ neu und auf einem guten Reisebusstandard. Toiletten gibt es keine, aber es werden gelegentlich Toilettenpausen gemacht. Außerdem sind wir einmal mit einem lokalen Busunternehmen gefahren und das gleich eine längere Strecke – von Rissani nach Meknes. Der Bus war schon recht voll mit locals, hielt dann aber alle paar Meter noch an, um noch Leute mitzunehmen, bis auch der letzte Platz besetzt war. Vom Studenten, der seinen Bruder besuchte bis zur alten Berberin mit traditioneller Gesichtstätowierung war ein buntes Gemisch an Leuten anwesend, und außer uns offenbar keine Touristen. Wir gehörten auch zu den wenigen, die die Strecke durchfuhren. Das Spiel mit Leute am Wegesrand aufsammeln wurde noch einige Male betrieben. Entsprechend langsam kamen wir auch voran.

Geschlafen haben wir vor allem in Riads und Dars, das sind traditionelle Innenstadthäuser mit kleinem Innenhof, die meist etwa zehn bis zwanzig Zimmer haben, die von diesem Hof und in den oberen Stockwerken dann von einer Galerie abgehen. Im Innenhof oder auf der Terasse gibt es dann das Frühstück, oft bestehend aus marokkanischen Pfannkuchen, Brot, Honig, Oliven, Butter und manchmal noch mehr, wie gekochte Eier, Konfitüre oder Olivenöl. Ich empfand die Hostels, in denen ich geschlafen habe, als nicht besonders gut, aber kann auch sein, dass ich da gerade Pech hatte. Scheinbar sind Hostels jedenfalls noch nicht so verbreitet und nicht so aufwendig durchdacht, wie in vielen europäischen Städten inzwischen.

Das marokkanische Essen empfand ich als unglaublich lecker. Tajine gibt es fast überall – sogar bei halbstündigen Busreisepausen kann man eine Tajine am Straßenrand in einem Lokal essen. Zum Teil können auch die Gastgeber*innen Tajine kochen, das sollte man dann nur vorher absprechen, da oft extra eingekauft werden muss und die Zubereitung gut eine Stunde dauert. Die meisten Speisekarten der Touristenlokale sind sehr ähnlich – Tajine in unterschiedlichen Varianten, Harira-Suppe, Salat, manchmal noch mit Fleisch gefüllte Pastete. Vegetarische Tajine ist verbreitet, allerdings nicht immer überall zu haben, am Häufigsten gibt es Hühnchen-Tajine. Und der marokkanische Minztee hat es mir auch wirklich angetan! Es ist meist schwarzer oder grüner Tee, in dem auch noch frische Minze aufgebrüht wird und der normalerweise stark gezuckert serviert wird.

Und wie war es nun, als Frau allein unterwegs zu sein? Ich empfinde das tatsächlich häufig als anstrengend. Ich wurde sehr häufig angesprochen, wie es mir geht, woher ich sei, und die ausnahmslos jungen Männer ließen auch meist nicht so schnell von mir ab. Einmal wurde ich beschimpft, nachdem ich jemandem gesagt habe, er solle mich in Ruhe lassen, aber das war ein Einzelfall und kann in Deutschland auch passieren (manche Männer können kein Nein ertragen). Es war schlicht nervig, aber ich würde nicht sagen, dass ich mich in Gefahr befand. Von einem Freund erhielt ich in den Tipp, eher in die Ville Nouvelle zu gehen, also raus aus der Medina und ab in die Neustadt, und da konnte ich als Frau auch ganz ruhig sitzen und etwas essen oder trinken, ohne angequatscht zu werden. Einmal habe ich einen Menschen damit in die Flucht geschlagen, ihn zu fragen, ob marokkanische Frauen das mögen, so angelabert zu werden, worauf er erstaunt abzog. Alles in allem hilft es sicher, sich dezenter zu kleiden, selbstsicher unterwegs zu sein und sich zurück zu ziehen, wenn es zu viel wird. Ich finde es fast schade, hier so etwas zu schreiben, denn ich habe auch ein sehr modernes Marokko gesehen, in dem Frauen anziehen, was sie wollen und sich abends mit Freunden treffen – allerdings ist es eben auch nicht wegzuleugnen, dass ich als weibliche Touristin eine Menge ungewollter Aufmerksamkeit bekam.

Und zu guter Letzt: Lohnt sich jetzt eine Tour in die Wüste? Ich würde sagen ja, denn die endlos scheinenden Sanddünen sind schon beeindruckend. Wenn man auf einer hohen steht, merkt man dann zwar, dass die Wüste, also zumindest der sandige Teil davon, nicht besonders groß ist und sieht die zahlreichen Touristencamps. Überall sind menschliche Spuren, viele auch von Motorrädern, Jeeps und Quads, so dass man auf keinen Fall unberührte Sanddünen erwarten sollte. Deswegen würde ich persönlich dafür plädieren, so wenig wie möglich an diesem Touristenzirkus teilzunehmen und die Wüste für alle Nachfolgenden nicht noch weiter kaputt zu machen. Braucht man wirklich eine Übernachtung in einem Wüstencamp mit wassergespülter Toilette? (Woher kommt das Wasser, wo geht es hin?) Will man wirklich zu Lärm und Reifenspuren beitragen, in dem man motorisiert die Wüste betritt? Ich wollte unbedingt die Sanddünen sehen und somit waren wir in Merzouga (einer von zwei möglichen Orten für den Dünenbesuch in Marokko und wohl der touristischere), allerdings haben wir nach Beratschlagung mit anderen Touristen und eigenen Überlegungen, keine Tour mit Übernachtung gebucht, da wir eben die Wüstencamps nicht unterstützen wollten. Wir waren einmal tagsüber einfach selbst zu Fuß auf der Düne und haben unter anderem Käfer beobachtet, die sich im Sand eingruben. Dann haben wir noch eine Sonnenuntergangs-Kamel-Tour gemacht und das würde ich vermutlich auch nicht wieder machen. So ein Dromedar ist nicht sonderlich bequem, ich fand den Sattel eher schlecht (es fehlten zum Beispiel Steigbügel, die Halt gegeben hätten), und zu allem Unglück endete unsere Tour direkt neben einer großen Düne an der sich gerade ein Dutzend Motorradfahrer mit Crossmaschinen am Steilhangbezwingen versuchten, was einen Höllenlärm verursachte im ach so romantischen Sonnenuntergang. Da kann man natürlich auch mehr Glück haben, aber prinzipiell ist die Wüste voller Leute und keinesfalls einsam und verlassen, wie man sich das vielleicht ausmalt. Würde ich nochmal nach Marokko fahren, würde ich wohl nicht erneut in die Wüste fahren, aber es war meine erste Begegnung mit Sandwüste und daher fand ich es lohnenswert. Ich hätte nur mit jetzigem Wissenstand vielleicht sogar auf die Kameltour verzichtet.


Sonntag, 24. März 2019

The great escape - 40 Tage unterwegs

Ich habe Anfang dieses Jahres meine erste wirklich lange Reise unternommen, die insgesamt fast sechs Wochen dauerte. Mein Ziel war es, ohne zu fliegen und ohne eine allzu unangenehme Anreise zu haben, nach Marokko zu kommen und dort etwa drei Wochen unterwegs zu sein. Ich wollte bei der Anreise ein wenig Spanien erkunden und auf dem Rückweg einen Schlenker nach London machen, um dort noch ein paar Tage mit Freunden zu verbringen. Insgesamt bin ich neben Deutschland durch fünf Länder gekommen, habe fünf Hauptstädte besucht, und bin – mit einer Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen – nicht geflogen [Warum ich dann doch eine kurze Strecke geflogen bin, erkläre ich im letzten Blogeintrag: Flygskam - Flugscham]. 
 
Es mag viele geben, die nach einer solchen Reise sofort anfangen würden zu schwärmen, wie schön das Leben auf Reisen ist und wie erfüllend und sinngebend. Ich stehe gerade eher nüchtern hier und bilanziere. Was hat es mir gebracht? Würde ich es wieder machen? Was habe ich gelernt?

Sehr schön war an der Länge der Reise, dass ich Zeit hatte, im „Reisegefühl“ anzukommen, ebenso in der Region, in die ich unterwegs war. Sehr schön war, dass ich durch die Anreise über Südspanien das Gefühl einer langsamen Transition hatte. Granada ist optisch gar nicht so verschieden von nordmarokkanischen Städten. Ebenso hatte ich Zeit auch mal irgendwo zu verharren, anstatt durchzuhetzen, obwohl sich gezeigt hat, dass für Marokko ein bis zwei Wochen mehr notwendig gewesen wären, um noch einiges vom Land zu sehen. Da das Land doch größer ist als gedacht und umherreisen nicht in allen Regionen so einfach, braucht es Zeit.

Sofern es mein zukünftiges Leben zulässt, würde ich vermutlich nicht mehr unter zehn Tagen verreisen. Zwei bis drei Wochen sind gut, um in eine Region wirklich einzutauchen, wenn man entlegene Gegenden erreichen will, ist entsprechend sogar mehr Zeit notwendig. Und da mein Ziel nicht ist die Hauptsehenswürdigkeiten abzuklappern, sondern etwas von der Atmosphäre wahrzunehmen, macht eine kurze Reise in diesem Fall nicht so viel Sinn. Ich weiß nicht, ob ich wieder vierzig Tage lang reisen würde – die Rückkehr ist vermutlich härter, je länger ich weg bin, und zwischendurch kamen schon auch mal Heimweh-Momente auf. Für ein Leben komplett auf Reisen bin ich wohl im Moment (noch?) nicht geeignet.

Ich hatte einen Rucksack von etwa 13 oder 14kg dabei – das war tatsächlich zu viel. Ich würde in Zukunft definitiv versuchen, leichter zu packen – schließlich schleppe ich das Ding oft mit mir rum, das eine odere andere Mitbringsel soll am Ende auch noch rein und eine Flasche Wasser wiegt auch nicht wenig, wenn ich sie an die Seite stecke. Leichter gesagt als getan, aber es ist durchaus möglich unterwegs zu waschen und das muss ich bei einer längeren Reise sowieso, also warum so viele verschiedene Klamotten mitschleppen? Auch beim Krimskrams gilt es abzuspecken und noch genauer zu schauen, ob ich die Dinge benutzen werde – ein einzelnes kleines Stativ oder ein aufblasbares Nackenhörnchen wiegen nicht viel, aber all diese kleinen praktischen Sachen zusammen machen dann doch wieder einen Gewichtsunterschied.

Ich werde noch einige Eindrücke der Reise hier im Blog schildern, aber zunächst einmal noch ein paar Zahlen – mich beeindruckt so etwas ja immer sehr.

Zurückgelegte Kilometer (etwa): 8700 (davon etwa 600km mit dem Flugzeug)

Besuchte Orte (länger als drei Stunden Aufenthalt und nicht bloß Transfer):

Avignon
Barcelona
Granada
Ronda
Algeciras
Tanger
Rabat
Marakkesch
Ouarzazate (außerhalb in der Palmeraie)
Skoura
Gorges du Dadès, km 35
Merzouga
Meknes
Fes
Chefchaouen
Tanger 
Madrid
Paris
London
Brüssel

 

Sonntag, 24. Februar 2019

Flygskam - Flugscham

Vierzig Tage reisen, ohne zu fliegen, das war das Ziel. Und nun sitze ich in Madrid, bin einigermaßen ausgeschlafen und habe keine stundenlangen Fähre-Bus-Zug-Kombinationen hinter mir. Gut, ausgeschlafen wäre ich so oder so, aber vielleicht nicht so erholt.

Alles begann mit einem verhängnisvollem Essen an einem schönen Aussichtspunkt am Mittelmeer in Tanger. Danach ging es mir noch gut und nach einem Abschiedsbier auf der Dachterrasse unserer Unterkunft machte ich ich Pläne, welche Fähre und welchen Zug ich nehmen würde, um von Tanger nach Madrid zu kommen. Denn die Abreise aus Marokko ließ sich nicht mehr aufschieben - in ein paar Tagen wollte ich Freunde in London treffen, tags zuvor noch eine weitere Freundin in Paris - die Route stand. Tanger, Madrid, Paris, London, auf dem Landweg hatte ich dafür vier Tage Zeit, was sportlich, aber dank guter Planung machbar war. Da ich am Sonntagabend in einem Nachtbus von Madrid nach Paris steigen wollte, wollte ich definitiv schon am Samstag dorthin fahren. Erst am Sonntag bereits nach ewiglanger Reise in Madrid anzukommen und nach kurzem Aufenthalt weiter zu fahren, schien keine gute Idee.

Doch nun wand ich mich vor Bauchschmerzen im Bett in Tanger und suchte immer wieder die Toilette auf - das Essen auf der wunderschönen Terrasse war mir gehörig auf den Magen geschlagen. Ich schlief kaum in der Nacht, fror erst entsetzlich, zog mir dann noch etwas an und es ging besser, jedoch wurde meine Ruhe immer wieder von Toilettenbesuchen unterbrochen. Der Wecker klingelte, ich hätte genügend Zeit zur Fähre zu gehen. Doch daran war nicht zu denken. Mein Bauch rumorte trotz zahlreicher Kohletabletten noch kräftig, ich war schlicht nicht "transportfähig". Vielleicht wäre ich es in einer Stunde und würde die Fähre knapp kriegen, aber was dann? Nach der einstündigen Fährfahrt Tanger-Tarifa eine einstündige Busfahrt nach Algeciras, danach eine mehrstündige Busfahrt, weil die Zugstrecke da unten in Andalusien gesperrt war und irgendwann der Umstieg in den Zug. Was würde mein Magen dazu sagen? Konnte ich sicher sein, dass ich während dieser Fahrten keine Toilette brauchte?

Ich war zweieinhalb meiner insgesamt drei Wochen in Marokko mit einem großartigen Reisegefähten unterwegs gewesen, dieser musste ein wenig später, als meine Fähre ging, zum Flughafen aufbrechen und flog mit Umstieg in Madrid zurück nach Deutschland. Auch wenn ich mich selbst gegen das Fliegen entschieden hatte, konnte ich es ihm nicht verdenken, schließlich dauert die Anreise nach Marokko ohne Fliegen selbst wenn man es gut plant und an einem Stück durchzieht drei bis vier Tage und so viel Zeit hatte er schlicht nicht bei zweieinhalb Wochen Urlaub. Bereits am Morgen nagte nun die Frage an mir: Was wäre, wenn ich einfach bis Madrid mitkäme? Flöge? Ich wäre nicht allein, falls aus dem Ganzen etwas schlimmeres würde, eine ausgewachsene Nahrungsmittelvergiftung oder ähnliches. Und ich wäre schnell in Europa, wo ich im Krankenhaus mit meiner europäischen Krankenversicherungskarte wedeln könnte und hoffen, dass man mir hilft. Ich hätte mehr Zeit, mich auszuruhen, mein Bauch könnte sich beruhigen und ich könnte entspannter in den Sonntag starten, an dessen Ende eine sehr lange Busfahrt stand. Für die mein Magen einigermaßen stabil sein sollte. Ich war müde und mir ging es dreckig und die Aussicht auf eine zehnstündige Fähr- und Landpartie war gar nicht reizvoll. Alleine dableiben und mich auskurieren tauchte zwar kurz auch in meinen Gedanken auf, wurde aber sehr schnell wieder verworfen. Allein in Marokko und im schlimmsten Fall ernsthaft krank? Keine gute Idee.

Ich sagte noch im Scherz: "Was zählt denn mein Magen verglichen mit dem Klimawandel!", aber mir war klar, dass ich diesen Flug nehmen sollte. Dass ich auf mich achten sollte. Dass es nichts hilft, die Welt zu retten, wenn ich mich selbst kasteie. Es quälte mich, das Projekt "Vierzig Tage, fünf Länder, ungezählte Kilometer, kein Fliegen" zu verraten. Ich nahm mir ganz fest vor, den Flug bei Atmosfair zu kompensieren. Aber da war sie trotz meiner Lage: die Flugscham.

Ich habe es dennoch getan. Mein erster Flug seit fast zwei Jahren. Und hoffentlich der letzte für dieses Jahr.

Sonntag, 27. Januar 2019

Barcelona - Flucht in den Süden

Ich war seit etwa 24 Stunden in der Stadt, als ich am Meer saß, auf großen Felsbrocken, die als Wellenbrecher dienen. Während die Gondel vom Montjüic ins Tal schwebte und die Seilbahn sich als Silhoutte in der untergehenden Sonne abzeichnete, beobachtete ich die Surfer*innen am Barceloneta. Ich brach auf und blieb an der plamengesäumten Strandpromenade noch einmal stehen und beobachtete einen der Surfer, wie er sich grad am Strand bereit machte um sich in die Fluten zu stürzen. Auch, als ich Richtung Stadt ging, kamen mir weitere Menschen mit Surfbrett entgegen. Dabei stand die Sonne schon tief und wärmte kaum noch, das Wasser ist Mitte Januar sicher auch nicht warm und bei höchstens zwölf Grad herrschte ein kalter Wind, der den Surfern wohl aber eher entgegen kam, weil er für ein paar Wellen sorgte. Trotzdem fühlte sich die ganze Szenerie sommerlich an.

Barcelona unterdessen war abgesehen vom Strand voll und hektisch. Ich suchte ständig etwas, Metro-Stationen und Bushaltestellen, etwas zu essen - ich war nicht so richtig bereit, mich einfach treiben zu lassen. Ich floh in die kleinen Gassen des El Raval, floh in die Parks Montjüic und Güell, um nicht mit den Massen auf der Ramblas mitschwimmen zu müssen. Ich schaute mir kein einziges der architektonischen Denkmäler an, die Sagrada Familia wenigstens von außen, aber der Eintritt war mir zu teuer und ich war nicht in Stimmung, mit einer Menge anderer Touristen durchgeschleust zu werden durch diese Kirchenbaustelle monströsen Ausmaßes. Dafür genoss ich den Ausblick auf die Stadt sehr, das mehr im Hintergrund und die Kirchenbaustelle in der Mitte aufragend.

Am Tag meiner Ankuft in Barcelona war ich bereits beim spätabendlichen Erkunden der Umgebung auf einen Innenhof mit Orangenbäumen gestoßen, die mit Früchten vollhingen. Beim Spaziergang auf dem Montjüic einen Tag später blickte ich mich dann lange nach den Vögeln um, die so laut zwitscherten und sah schließlich Kanarienvögel auffliegen. Im Güell-Park entdeckte ich wieder welche, die es sich in Palmen bequem gemacht hatten. Mein Handy sagte mir, dass es in Deutschland sehr kalt war und ich lief hier höchstens mit Fleecejacke rum.
Auch vor Ort in Barcelona bemerkte ich krasse Unterschiede. Mehrmals stolperte ich aus Versehen mitten in der Innenstadt in Ecken, wo offensichtlich Obdachlose lebten, einmal auf einen schveinbaren Straßenstrich. Der Stadtteil Raval faszinierte mich mit seiner Multiethnizität, aber neben kleinen arabischen Läden sprossen wie überall auf der Welt Hipster-Cafés aus dem Boden.

Ich bin - und da werde ich vielleicht eine der wenigen sein - tatsächlich froh, nur zwei Tage in Barcelona verbracht zu haben. Die Stadt ist wirklich schön, aber auch laut und hektisch und teuer. An vielen Ecken ist die katalanische Hauptstadt wirklich bezaubernd, ich wollte jedoch zu Anfang meiner Reise vor allem erstmal runterkommen. Und da gleich mit einer Großstadt zu starten, war vielleicht einfach keine gute Idee. Dennoch, auch hier gibt es Ecken, die Ruhe ausstrahlen. Als ich mich auf dem Montjüic absichtlich verlief, entdeckte ich Winkel, wo ich fast ganz allein war. Und dann stand ich wieder ganz schnell zwischen dutzenden Tourist*innen und Einheimischen am Bahnhof. Und fuhr in den Süden Spaniens, raus aus der zweitgrößten Stadt Spaniens, auf nach Andalusien.